Hurra, es schneit!
Und das mitten im Sommer in Hamburg!
Ehrlich gesagt hatte ich dieses komische flauschige Zeug bisher kaum beachtet.
Es lag zwar auf dem Schulhof und die Kinder haben damit sommerliche Schneeballschlachten gemacht. Aber, keine Ahnung, wo das herkommt! Bestimmt löst es Heuschnupfen aus.
So dachten wir zumindest bisher.
Aber – Moment mal. Fluffige Pflanzenfasern, die einfach so von den Bäumen fallen?
Ist das nicht in Wahrheit superspannend?
Aha, kurz recherchiert: Die herumfliegende Fusseln stammen von Pappeln, und man nennt sie auch „Sommerschnee“.
Pappelschnee? Den muss ich mir näher anschauen!
Sind unsere Allergie-Vorurteile berechtigt, und kann man den superweichen Pappelschnee zu irgendwas gebrauchen?
Um das herauszufinden, habe ich eine kleine Textilforschungs-Expedition in den Hamburger Hafen gemacht und dort (erfolgreich) nach Pappeln gesucht.
Und hier am Elbufer steht auch schon eine:
Pappeln sind schnell wachsende Laubbäume, die häufig an Flussufern und in (Au)wäldern vorkommen.
Sie sind mit den Weiden verwandt und helfen beim Hochwasserschutz.
Und ein paar Meter weiter sah es dann tatsächlich so aus: tütenweise Pappelschnee, hurra!
Pappelschnee? Was ist das?
Die Samen der Pappeln stecken in einer flauschigen Hülle: dem schnee-artigen Pappelfluff!
Ungefähr ab Mai sind die Samen reif und der Fluff fängt an, durch die Gegend zu fliegen.
Wenn es dann irgendwann regnet, kann sich der Pappelschnee an seinem Landeplatz auflösen und die Samen keimen. Bis dahin sind die fluffig-leichten Fasern durch Wind und Wasser womöglich schon kilometerweit fortgetragen worden.
Übrigens heißt der watteartige „Pappelschnee“ / „Sommerschnee“ offiziell auch Pappelflaum®.
Da dieser Begriff allerdings markenrechtlich geschützt ist (huch!), schreibe ich hier mal lieber Pappelwolle, Pappelfluff oder eben Pappelschnee.
Die einzelnen Samenkapseln hängen an solchen Rispen am Baum.
Bitte nicht mit haarigen Raupen verwechseln!
Mein Tipp fürs Pappeln finden:
Für manche Städte gibt es Online-Karten der Straßenbäume („Straßenbaumkataster“) – das ist megapraktisch, wenn du eine bestimmt Baumart suchst und nicht weißt wo du sie finden könntest!
Aber Achtung, bei Pappeln blühen und „schneien“ nur die weiblichen Bäume.
So war z.B. diese wunderhübsche Pappellallee gar nicht so ergiebig wie man hätte erwarten können:
Wofür ist die Pappelwolle zu gebrauchen?
Ich habe jedenfalls einfach ein paar Tüten voll Pappelschnee mitgenommen und mich weiter schlau gemacht.
Facts zum Pappelschnee:
Die Pappelfluff-Fasern sind extrem dünn und leicht. Offenbar sind sie sogar feiner als fast alle textilen Naturfasern.
Und: sie sind innen hohl. Daher isolieren sie auch ganz hervorragend.
Die langlebige Pappelwolle ist sehr atmungsaktiv und kann außergewöhnlich viel Feuchtigkeit aufnehmen. Sie wärmt super und kann große Temperaturunterschiede ausgleichen.
Garne oder Stoffe kann man aus den Pappelschnee-Fasern allerdings nicht herstellen, da sie nicht lang und fest genug sind.
Aber das klingt doch, als wären sie als Füllmaterial für Decken und alles Kuschelige super geeignet!
Tatsache.
Aus Pappelfluff werden edle, besondere und wunderbar leichte Bettdecken gemacht.
Im Mainstream angekommen sind die Pappelwolle-Decken zwar noch nicht – aber, es gibt sie, z.B. hier bei Pappella oder der Wohnwerkstatt.
Maßgeblich an der Forschung und Entwicklung beteiligt war wohl der damalige Forststudent Jens-Gerrit Eisfeld, der dann die Firma PAP(P)ILLON GmbH gründete, die ebenfalls Bettwaren aus Pappelwolle vertreibt.
Pappelwolle ist ein feiner, teurer Rohstoff:
Die professionelle Ernte der Pappelwolle ist nicht ganz unaufwendig. Geerntet wird sie von Baumkletterern oder sogar per Fesselballon (Die Sendung mit der Maus hat hier ein nettes Video dazu.)
Daher kostet der Pappelfluff auch um die 100€ pro Kilo.
Pappelwolle = Heuschnupfen?
So etwas Fusseliges wie Pappelschnee, das durch die Luft schwebt, kommt jedem Allergiker natürlich höchst verdächtig vor.
Tatsächlich sind die kleinen die kleinen Wattebäusche aber hypoallergen, also allergietechnisch unbedenklich.
Was da in der Gegend herumfliegt, sind nämlich keine Pollen, sondern baumwollähnliche Pflanzenfasern. Und die ggf. noch darin enthaltenen kleinen Pappelsamen sind ebenfalls nicht allergen.
Das ist ja mal interessant und gut zu wissen! Also ab in die Bettdecken mit dem Zeug!
Pappelwolle in Bettdecken
Bei der maschinellen Verarbeitung wird der gereinigte und gekämmte Pappelfluff mit anderen Fasern gemischt (z.B. Kamelhaar, Seide, Leinen) und dann zu Bettdecken, Kissen & Co. verarbeitet.
So gemischt, erreichen die Bettwaren dann ideale Feuchtigkeitsregulierung und Isolationseigenschaften.
So etwas Professionelles hatte ich mit meinem Pappelfluff aber gar nicht vor.
Ich wollte ihn nur reinigen und dann meinen Kindern ein besonderes Kuscheltier oder Kissen damit füllen.
Handgesammelte extraweiche Pappelwolle, das hat schließlich kaum jemand!
Achtung, brennbar:
Der Vollständigkeit halber möchte ich hier darauf hinweisen, dass die trockenen, feinen Pappelwolle-Fasern leicht entflammbar sind. Das kann in der Natur gefährlich werden, wenn es sehr heiß, windig und trocken ist – die (brennenden) Fasern fliegen umher, Waldbrandgefahr!
Ich habe bei den Herstellern nachgefragt, ob das auch evtl. für die Decken ein Problem sein könnte, habe aber noch keine abschließende Antwort bekommen.
Wahrscheinlich sind mit Pappelwolle gefüllte Wohntextilien aber auch nicht brennbarer als solche mit Baumwolle (die ebenso wie die Pappelwolle aus Zellulose besteht).
Selbst gesammelte Pappelwolle reinigen: die Aschenputtel-Methode
Zu Hause angekommen, musste ich erstmal herausfinden, wie man die Pappelwolle-Fasern am besten von den Samenkapseln und ggf. Rispen befreien kann. (Erste Versuche mit Sieb und Staubsauger haben null funktioniert – Fotos erspare ich euch! )
Tipp: Wenn du Pappelwolle sammeln möchtest, nimm am besten so wenig Rispen und Samenkapseln wie möglich mit, sondern nur die fluffigen Fasern selbst. Das minimiert den Reinigungsaufwand.
Am besten pflückst du von heruntergefallenen Äste oder ganzen Büscheln, die sich irgendwo verfangen haben.
Und: Nicht direkt nach dem Regen losgehen, sondern lieber nach ein paar trockenen Tagen. Sonst klebt der schöne Fluff nämlich am Boden und nichts ist mit Sammeln!
Unsere gesammelte Pappelwolle haben wir schließlich einfach mit etwas Seife eingeweicht und die Samenkapseln und sonstigen Verunreinigungen von Hand aussortiert. (ja, das dauert!)
Die Aschenputtel-Methode, sozusagen! Schön draußen in der Sonne. Dabei können auch Kinder mitmachen.
Den sauberen, nassen und klumpigen Pappelfluff (es ist dann eher ein Pappel-Matsch) habe ich dann gut ausgedrückt und in ein Säckchen aus Tüll* oder anderem feinen Stoff* eingenäht, damit nichts wegfliegt.
Das Säckchen sollte nicht zu klein sein. Ein dünner Kissenbezug mit gut schließendem Reißverschluss geht natürlich auch.
Dann muss die Pappelwolle trocknen:
Den Sack mit der feuchten Pappelwolle habe ich dann in den Trockner gesteckt, am besten mit einem oder mehreren Tennisbällen dazu.
Leider nehmen die Pappelfasern wirklich extrem viel Feuchtigkeit auf, so dass das Trocknen dauert. Und da ich den Trockner sowieso höchst ungern benutze, hab ich das Ganze später einfach beschwert, in die Sonne gelegt und hin und wieder durchgeknetet.
Du kannst den Pappel-Matsch aber auch auf einen Teller legen, mit einer Kuchen-Fliegenhaube, einem großen Nudelsieb o.ä. abdecken und dnn in die Sonne stellen.
Beim Trocknen solltest du die Fasern immer wieder bewegen, knüllen, zerrupfen, damit die Fusseln nicht verklumpen.
Irgendwann hat du dann solche kuscheligen Flocken aus Pappelwolle. Die sind wirklich ultraleicht, weich und warm! <3
Mal sehen, was ich jetzt mit diesem super-öko-Füllmaterial anfange!
Vermutlich bekommt jedes Mädchen ein extraweiches Kissen daraus 🙂
Darum sollten wir Pappelwolle nutzen!
Pappelwolle ist ein absolut nachhaltiges Naturprodukt:
Da sie bei den Bäumen quasi nebenbei anfällt, hat sie natürlich eine super Ökobilanz. Man braucht keine Pestitzide und kann einfach immer wieder neue „Wolle“ ernten, ohne dem Baum zu schaden. Und dass Bäume sowieso immer gut für die C02-Bilanz sind, wissen wir ja eh.
Außerdem wachsen Pappeln in Europa – das ist super, denn wir sollten unbedingt mehr textile Fasern verwenden, die nicht nur in heißen Gebieten gedeihen.
Wie wichtig es ist, dass man regional angebaute Pflanzenfasern nutzt und erforscht, habe ich z.B. letztes Jahr in meinem Artikel über Leinen aus Litauen schon beschrieben.
Pappeln: wozu sie sonst noch gut sind
Die hochwertige Pappelwolle macht Pappeln natürlich auch in kommerzieller Hinsicht für die Forstwirtschaft interessanter. So können sich die Bäume schon lange vor der „Holzernte“ nützlich machen.
Normalerweise werden die schnell wachsenden Pappeln nämlich eher zur Gewinnung von Holz angebaut. Das weiche Pappelholz lässt sich gut verarbeiten, drechseln und schnitzen. Außerdem wird es zu Holzpellets und Papier verarbeitet.
Verwechslung möglich: Schnee von Pappel oder Weide?
Am Ende habe ich übrigens auch noch herausgefunden, woher der wollige Schnee auf dem Schulhof kam. Da ist nämlich weit und breit keine Pappel zu finden!
Pappeln gehören ja wie gesagt zur Familie der Weidengewächse.
Und tatsächlich können auch Weiden nach der Blüte „schneien“, wenn auch weniger ergiebig als Pappeln.
Inzwischen denke ich, dass das, was meine Kinder ursprünglich gefunden hatten, von Weiden stammt. Der „Weiden-Schnee“ beinhaltet mehr kleine Samen und kommt mir grauer vor (ich hab auch davon etwas gesammelt).
Schöner ist der von den Pappeln!
Rätsel gelöst – und noch einiges dazugelernt!
Habt ihr Lust bekommen, euch auch mal draußen umzusehen und etwas einheimische Baumwolle zu ernten?
Viel Spaß (und Geduld) dabei!
Meine Info-Quellen und weitere Artikel zum Thema:
Wikipedia zum Thema Pappeln
Die Blüte der Pappeln und die Pappelwolle
Waldwissen Pappelflaum
Schnee im Mai: Pappel-Samen
„Wie ich als Förster die Pappeln lieben lernte“
„Von Zitterpappeln und Pappelwolle“
Pappelflaumdecken bei Birnbaumblau
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5 Kommentare
Wouh, denke für diesen ausführlichen Post
Hier flog und schneite es auch. Das nächst mal sammle ich auch.
Liebe Grüße, Marita
Es sieht einfach aus wie echter Schnee 🙂 Bin ja im Winter im Hotel Kaltern am See da werde ich richtigen Schnee haben 🙂
Textilforschungs-Expedition! Der Hit deine Beiträge! lg Tina
Ich habe Großen Respekt vor Menschen die so etwas machen, eine eigene Textilforschungs-Expedition um heraus zu finden was man damit machen kann. Und dann noch so einen Informationsreichen Beitrag zu schreiben. Also Großes Lob, ich wusste nicht mal das Pappeln 🙂 existieren.
Im 5 Sterne Wellnesshotel hatten wir richtig viel schnee 🙂