Seit Monaten hab ich fast nichts mehr neu gekauft. Aber im Urlaub musste ich meinen privaten Konsumstreik unterbrechen: denn dort gab es lokal angebaute UND produzierte Stoffe!
Und bevor du denkst, wir waren in der Nähe einer Baumwoll- oder Bambusplantage – nein, sowas gibt es mitten in Europa!
Zugegeben, auf Litauen als Urlaubsziel wäre ich wohl selber nie gekommen. Vermutlich war ich im Vorfeld mehr ignorant als informiert.
Ach ja, Leinen soll es dort geben? Jaja, das ist sicher ganz nett! (oder doch eher was für Kunstlehrerinnen im Rentenalter?)
Du kennst das, wenn du nur mit halben Ohr hinhörst, und dann schaust du dir die Sache genauer an, und dann macht es Klick?
Wie jetzt also nochmal? Leinen? (Oh, Stoff!) Und das wächst da auch? Und wird auch vor Ort zu Stoffen verarbeitet? DAS ist ja cool. Das muss ich mir näher angucken! (Wo sind die Stoffläden?)
Es stellte sich schnell heraus, dass das kleine baltische Land eine richtig alte Leinentradition hat, die zumindest ich bisher überhaupt nicht auf dem Zettel hatte.
Grund genug, sich erstmal die Basics anzulesen:
Was ist Leinen überhaupt?
Leinen ist eine Pflanzenfaser, die aus Flachs bzw. Lein gewonnen wird.
Und der wächst, im Gegensatz zurBaumwolle, auch super in Europa: Traditionelle Anbauländer für Lein sind z.B. die Niederlande, Belgien, Italien, Frankreich – und eben Litauen.
Der Lein selbst ist eine hübsche, blau blühende und recht genügsame Pflanze.
Um Fasern daraus zu gewinnen, werden die Flachs-Stängel nach der Ernte relativ aufwendig aufbereitet. Diese Flachsfasern werden dann zu Fäden versponnen und es kann Stoff (also Leinen) daraus hergestellt werden.
Man kann aber noch mehr aus Flachs (bzw. Lein) herstellen: Nämlich u.a. Leinöl, Leinsamen und sogar Linoleum.
Für den Stoff nimmt man allerdings Faserlein, und nicht den ölhaltigeren Öl-Lein.
Baltisches Leinen: ein Stoff mit alter Tradition
In Litauen wird schon seit mehreren tausend(!) Jahren Flachs angebaut und verarbeitet.
So enstanden alte litauische Mythen, Märchen und Lieder über den Flachsanbau, und sogar alte Götter wie den „Patron des Flachsanbaus“ (Waizganthos) und eine Flachs-Göttin (Alabatis) sind überliefert.
Litauische Feiertage orientierten sich früher an wichtigen Terminen der Flachs-Anbausaison.
Und selbstverständlich nähte man im Land schon seit langem Trachten und festliche Tischwäsche, Haushaltstextilien und Alltagskleidung aus Leinen.
Vor dem 2. Weltkrieg war Leinen aus dem Baltikum ein überregional bekanntes und beliebtes Qualitätsprodukt.
Allerdings wurde Leinen ab dem 19. Jahrhundert überall mehr und mehr von der importierten Baumwolle verdrängt. Und nach der sowjetischen Besatzung des Baltikums führten die hochwertigen Leinenstoffe wohl nur noch ein lokales Nischendasein.
Inzwischen erlebt das litauische Leinen aber im In- und Ausland ein Comeback.
Falls du mal auf einer der großen Stoffmessen in Paris oder München bist, halte dort mal Ausschau nach den litauischen Leinenproduzenten!
Vom Design her steht das Baltikum (also Litauen, Lettland und Estland) übrigens irgendwo zwischen Mitteleuropa und Skandinavien. Oft sind die Sachen skandinavisch-schlicht mit einem verspielten Detail.
Vieles im Land hab ich so empfunden und immer wieder kleine kreative Ideen entdeckt, die einfach Spaß machen.
Stoffläden: Hier kannst du in Litauen Leinenstoffe kaufen
Jetzt aber endlich zu den Stoffen.
Vorweg: ich war nur Touristin, spreche kein Litauisch und hatte mich im Vorfeld kaum informiert. Verzeiht mir also, wenn ich hier womöglich nicht die besten Underground-Geschäfte ausfindig gemacht habe 😉
Allerdings ist Litauen ein kleines, eher übersichtliches Land. Wir waren in den 3 größten Städten, und dort habe ich folgende Stoffgeschäfte gefunden:
Lino Namai
Als erstes habe ich in Klaipeda eine Filiale von Lino Namai gefunden.
Dort gibt es Leinen vor allem als Meterware, aber auch ein paar Klamotten und Wohntextilien.
Die Stoffe sind vor allem einfarbig, gestreift, kariert oder in sich gemustert.
Es gibt weiche, gewaschene Leinenstoffe für Kleidung, tolle Küchenhandtücher vom Meter, festere Stoffe für Dekozwecke und und und. Auch Stoffe zum Besticken kannst du hier finden und Tischdecken sowieso.
Am Ende war ich in Klaipeda, 2x in Kaunas und in Vilnius bei Lino Namai und habe dort jedes Mal wieder ein paar andere Stoffe entdeckt (äh, und gekauft).
(Klaipeda: Tiltų g. 11, Kaunas: Laisvės alėja 40 & 88, Vilnius: Pilies g. 38 – es gibt aber noch mehr Filialen)
Du kannst einen Teil der Stoffe auch online bei Lino Namai kaufen, linonamai.lt – allerdings ist es dort natürlich nicht so günstig wie vor Ort.
Lino Namai gehört übrigens dem Traditionshersteller Biržai AB Siulas. Wie der Flachs dort im Norden von Liatuen verarbeitet wird, kann der Hersteller selbst am charmantesten beschreiben: https://www.siulas.de/leinengewebe
Prints on Linen
Außerdem war ich in Vilnius bei Prints on Linen. Im Gegensatz zu Lino Namai gibt es dort – genau! – hauptsächlich bedrucktes Leinen zu kaufen.
Prints on Linen hat einerseits ein riesiges Sortiment an Kleidung aus bedrucktem Leinen, hergestellt in Eigenproduktion. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden die Stoffe ausschließlich mit Naturfarben bedruckt.
Außerdem gibt es eine Filiale für Haushaltstextilien und eine für Stoff, und zwar beide in Vilnius in der Stiklių g. Leider krieg ich orientierungslose Person jetzt schon nicht mehr zusammen, welche nun welche war. Aber Vilnius ist ja nicht so groß 🙂
Die Filiale mit der fertigen Kleidung (und tollen, vernähbaren Schals) findest du jedenfalls in der Didžioji g. 11.
Der hier möchte noch zu einer Hose für meine Tochter werden:
Prints on Linen ist übrigens auch bei etsy, facebook und Instagram vertreten.
Strickstoffe aus Leinen?
Strick aus Leinen habe ich vom Meter leider nicht gefunden, obwohl es natürlich hier und da gestrickte Leinen-Pullis und Schals zu kaufen gab.
Ich habe daher bei Lino Kambarys einfach einen doppelt petrolfarbenen gestrickte Leinen-Schal mitgenommen. Mal sehen, ob ich ihn so trage oder doch etwas draus nähe!
(Lino Kambarys: Vilnius, Pilies g. 16. Ist vor Ort viel günstiger als im Onlineshop!)
Und dann waren wir noch bei Flokati, wo mir die kleine Tochter dieses nostalgische Leinen-Oberteilchen in so-gar-nicht-ihrer-Farbe aus den Rippen geleiert hat und wir uns außerdem tolle Socken gekauft haben.
(Flokati (kein Stoffgeschäft): Kaunas, A. Mickevičiaus g. 40 / Klaipeda, Tiltų g. 21)
Krass, was für ein Shoppingtrip!
Nach 7 Monaten fast nur 2nd Hand kaufen kam ich mir schon fast unfassbar dekadent vor. Und dann war das Gepäck mit den ganzen Stoffen drin erstmal – weg. Aber das ist eine andere Geschichte!
weitere Online-Shops für Leinen aus Litauen:
EG Linen (Kleidung): https://www.etsy.com/shop/eglinen
Linen Tales (auch Stoffe): https://www.linentales.com/de/leinenstoffe.html
Genix Textile (Wohntextilien): https://www.genix-textile.com/
Upcycling ist übrigens auch in Litauen im Kommen!
Auch wenn die Idee hier noch super innovativ ist – ganz zum Schluss hab ich in Vilnius auch noch einen kleinen, süßen Jeans-Upcycling-Laden entdeckt und musste mich natürlich mit der Besitzerin unterhalten:
Ja, der Nachhaltigkeitsgedanke ist hier noch nicht so richtig im Alltag angekommen, aber die jungen Leute sind natürlich nicht doof und bekommen mit, was international in der Luft liegt. (ich sage dazu: Vilnius ist ganz schön hip und definitiv einen Besuch wert!)
Bei Denim Diaries veranstalten die engagierten Mädels auch Upcycling-Workshops und verkaufen natürlich fertige Accessoires & mehr aus Jeans.
Die Besitzerin meinte übrigens auch, dass das lokal produzierte Leinen eine gute, unterstützenswerte Sache ist.
Falls du nach Vilnius kommst: du findest Denim Diaries etwas versteckt in der Altstadt in der Žydų g. 2.
Ich wünsche diesem tollen Projekt ganz viel Erfolg!
Und warum soll ich jetzt überhaupt Leinenstoff kaufen?
Kurzfassung: Baumwolle ist blöd für die Umwelt. Alle in Europa wachsenden Alternativen sind daher gut!
Ja, tatäschlich. Unsere beliebte Baumwolle schluckt beim Anbau halt leider Unmengen an Wasser. Zudem wächst sie gerne in Gebieten, in denen es naturgemäß eher trocken und warm ist.
Und von diesen wenigen Anbaugebieten haben wir uns in den letzten Jahrzehnten ganz schön abhängig gemacht.
Es ist daher mehr als sinnvoll, auf in Europa wachsende Fasern zurückzugreifen – wie eben z.B. auf Lein(en). Das wächst nämlich ganz wunderbar hier in der Nähe.
Lein bzw. Flachs ist noch dazu eine ziemlich genügsame Pflanze und braucht nur wenig Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmittel. Dadurch ist er für die nachhaltige Textilproduktion natürlich superinteressant.
Und der CO2-Fußabdruck bliebt durch die kurzen Transportwege erst recht angenehm klein.
Biologisch abbaubar sind die Fasern eh, also nichts mit Mikroplastik und anderem Ärger.
Bei der Verarbeitung der Flachsfasern gibt es allerdings offenbar Unterschiede. In Frankreich und Belgien wird auch etwas Bio-Lein angebaut, der dann womöglich wassersparender aufbereitet wird als im Baltikum.
Aber Bio hin oder her – ich war noch nie in einem Land, in dem ich so lokal hergestellte Stoffe an jeder Ecke kaufen konnte. Tolle Sache und absolut unterstützenswert, wie ich finde!
Was Leinen so alles kann:
Leinen hat eine über 5000 Jahre alte Tradition und ist somit eine der ältesten Textilfasern der Welt. Historische Kostüme, authentische Wikingerkleidung? Leinen ist dein Stoff dafür!
Leinen ist hautfreundlich, saugstark und atmungsaktiv und im Sommer angenehm kühlend. Zudem löst es kaum Allergien aus.
Je öfter du sie (bitte mit viel Wasser) wäschst, desto weicher und fluffiger werden deine Leinenstoffe. Aber Vorsicht beim Schleudern – und in den Trockner möchten die Stoffe auch bitte lieber nicht. Unter anderem deshalb, weil Leinen knittert und der Trockner das nur noch verstärken würde.
Du kannst Leinenstoffe feucht und heiß bügeln, um sie einigermaßen glatt zu bekommen. Nimm den Knittereffekt aber am besten einfach als „Edelknitter“ hin – sowas kann Polyester jedenfalls nicht!
Textilien aus Leinen sind dafür auch besonders langlebig (Leinen ist zwei- bis dreimal haltbarer als Baumwolle), reißfest und kochfest. Früher hat man auch Segel daraus gemacht.
Und was näh ich dann aus dem Leinen?
Du hast noch nie Leinen vernäht?
Leinen verhält sich beim Nähen ähnlich wie gewebte Baumwolle.
Suche dir also ein Schnittmuster aus, das für Webware gedacht ist (es sei denn, du hast irgendwo Leinen-Jersey oder Strick gefunden).
Beachte dabei, dass Leinenstoffe beim Tragen oft etwas nachgeben und weiter und gemütlicher werden. Daher sind sie nicht so gut für enge, maßgeschneiderte Teile geeignet. Plane das am besten vorher schon ein und verwende eher locker sitzende Schnitte.
Besonders schön aus Leinen sind fluffige Hemden, Blusen, Kleider oder Sommerhosen. Röcke und Schals kannst du natürlich auch gut aus luftigen Leinenstoffen nähen.
Außerdem eignen sich die Stoffe toll für authentische Mittelalter-Kostüme oder Trachten.
Oder du nähst Wohntextilien wie Tischdecken, Geschirrtücher, Kissen oder edle Bettwäsche aus Leinenstoff. Festere Leinen-Webware ist außerdem gut für stabile Taschen geeignet.
Und wenn du lieber Kinderkleidung nähst: Wie wäre es z.B. mit meiner Matsch-und Mehr-Hose, dem Webware-Wickelbody oder dem Lieblingskleidchen aus einem tollen, sommerlichen Leinenstoff?
Matsch- und Mehr-Hose von Staake Stücke • Webware-Wickelbody von Baby-Bubble • Lieblingskleidchen von Kay Jay Sews. Vielen lieben Dank euch für die süßen Beispiele!
Oder natürlich mein Klassiker für solche Stoffe: Das Lieblingshemd!
Die Leinenhemden sind von Milchstraßenkind – vielen lieben Dank für die Bilder!
Und wenn du jetzt auch Lust auf Leinen bekommen hast: Ich freu mich über Nähbeispiele und deine Erfahrungen mit dem Stoff!
Stand der Infos: Juli 2019.
Werbehinweis:
Alle Stoffe in diesem Beitrag habe ich regulär gekauft. Der Beitrag entstand nicht in Kooperation oder Absprache mit einer der genannten Firmen und gibt somit ausschließlich meinen privaten Eindruck wieder.
5 Kommentare
Wow, toller Bericht! Lieben Dank!
Leinenstoff ist super, ich benutze ihn auch für verschiedene Projekte und eigentlich ist er auch mein Lieblingsstoff 🙂
Liebe Grüße
Ich lege sehr viel Wert auf gute Stoffe und habe mir aus diesem Grund extra noch eine Maßhose besorgt 🙂
[…] den Ferien zurück? Während ich die letzten 10 Tage um meinen verschollenen Koffer (mit schönen Stoffen drin!**) gebibbert habe, hab ich immerhin ein paar Minidinge […]
[…] Was ich in Litauen an Stoffen und Leinen gefunden und darüber erfahren habe, liest du hier! […]